Warum werden Kapitalerträge eigentlich besteuert?
Schließlich ist das Einkommen, das gespart wurde und jetzt Zinsen und Dividenden trägt, in der Vergangenheit schon einmal besteuert worden. Und andere, die nicht
sparen, sondern alles verjuxen und verjubeln, ihren Spass und sonst etwas davon hatten, die zahlen doch keine Vergnügungssteuer, oder?
Warum ist Enthaltsamkeit teurer als das Leben zu genießen?
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
Aus unserer Verfassung - dem Grundgesetz - hat der Gesetzgeber das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit abgeleitet. Dieses bedeutet nicht viel
mehr, als daß der Starke dem Schwachen helfen soll bzw. daß sich in einer sozialen Marktwirtschaft wirtschaftliche Ungleichgewichte wenigstens annähern. Und
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird gemeinhin an den volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) festgemacht und daher werden
die Erträge aus diesen Produktionsfaktoren - idealtypisch - einer einheitlichen Besteuerung unterzogen. Soweit die Erträge aus dem einen oder anderen
Produktionsfaktor bevorzugt werden, werden die übrigen mehr oder weniger verdrängt/ diskrimiert.
Beispiel? Gut, ein Beispiel: Wenn Arbeit (Investition in einen örtlichen Gewerbebetrieb) hoch besteuert wird und der Einsatz von Kapital
(Kauf von Kaptialbeteiligungen im Ausland) wird relativ geringer besteuert, Dann gebietet es die Faustformel der schlichten Logik, daß mehr
Kapitaleinsatz (mehr Aktien) eine höhere Nachsteuerrendite versprechen als mehr Produktionskapazität im eigenen Unternehmen. Nicht zuletzt hat eine
Sportwagenfirma kürzlich das Kunststück vollbracht, mehr Jahresüberschuss als Umsatz zu erwirtschaften. Einfach durch Erträge aus dem Besitz von Wertpapieren.
Nun sind jedoch manche Produktionsfaktoren mobiler als andere. Der Boden bewegt sich relativ langsam (so etwa 2cm pro Jahr), Arbeit ist dagegen schon weitaus
flexibler und das Kapital schließlich bewegt sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Und je höher die Geschwindigkeit, desto eher ist die Besteuerung minimiert/ umgangen.
Das nennt man dann "Wettbewerb der Steuersysteme". Und ist letztlich nichts anderes als Dumping. Erfolgreiche Tennisspieler ziehen in so genannte Steueroasen,
weil ihre Erträge dort gezielt niedrig besteuert werden und Steuergerechtigkeit in unserem grundgesetzlichen Sinne dort nicht das Maß der Dinge ist.
Entscheidend in der Fiskalpolitik dieser Länder ist vielmehr für jedes zusätzliche Steuereinkommen attaktiv zu sein.
Ein Euro ist mehr als kein Euro. Auch wenn zwei Euro üblich wären.
Ist das nun Böse, wenn man sein Geld optimal in der Welt verteilt, so daß sich insgesamt die Steuerbelastung minimiert? NEIN, natürlich nicht. Freie weltweite
Kapitalmärkte sind ausdrücklich von der Wirtschaftspolitik gewünscht. Und das ist auch gut so! Denn wer profitiert von der Globalisierung der Finanz- und
Warenmärkte mehr als die westeuropäischen Gesellschaften? ? ? Hier möchten wir nur die Hintergründe erleuchten, nur versuchen zu erklären, warum es soetwas
wie die Abgeltungssteuer überhaupt gibt.
Die deutsche Abgeltungssteuer ist letztlich nicht anderes als der Spagat des Gesetzgeber zwischen Steuergerechtigkeit und Teilnahme am "Wettbewerb
der Steuersysteme". Leider wird weder das eine, noch das andere erreicht (weder Fisch noch Fleisch): im Ausland bleibt es billiger (im Falle der
so genannten Kapitalflucht, da wenn in Deutschland grundsätzlich das WELTEINKOMMENSPRINZIP gilt).
Die Abgeltungssteuer als Produkt
Nicht nur Sie als Kapitalanleger hat die Abgeltungssteuer erschreckt. Nein auch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer waren über die einfallsreiche Wucht
der Finanzmakler überrascht und einige von uns haben sicherlich versucht dem "goldenen Kalb" hinterher zu hächeln. Da werden Erträge mit nur noch 25%
versteuert bzw. bei einem geringeren individuellen Steuersatz mit diesem und dann versprechen Experten auch noch diese günstige Regelung unterlaufen
zu können.
Doch Vorsicht! War die schlaue Idee
des Produktberater wirklich der richtige Rat? Und hat sich das Investment vielleicht nur wegen einer vermeintlichen Steuerersparniss gerechnet?
Nun, die Chancen stehen vielleicht 50:50. Das deutsche Steuerrecht ist mit wirksamen Gegenmitteln ausgestattet. Und wenn die Gestaltung nicht anerkannt wird,
dann haben Sie nicht nur keine Ersparnis, Sie haben unter Umständen sogar Geld verloren, weil die versprochene Rendite nur für den Fall der steuerlichen
Anerkennung erzielbar war. Aber ohne Risiko ist sicher kein Geschäft zu machen.
Und nun?
Ihr Finanzberater wird Ihre Steuererklärung nicht für Sie ausfüllen. Er darf es nach der geltenden Rechtslage auch gar nicht. Wir - Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer - werden Ihre wirtschaftlichen Entscheidungen vor den Finanzbehörden in jedem Fall bis zum äußersten verteidigen. Aber vertrauen
Sie nicht jedem verlockenden Angebot. Wenn es zum Schwur kommt, ist Ihr Finanzberater sicher bereits über alle Berge.
Steuerliche Optimierung muß sein. Steuergerechtigkeit muß sein. Aber: keine Steuern sind auch keine Lösung!
© 2008 · Matthias Lykaitis · Niedersächsische Revision und Treuhand GmbH